Phi­lo­so­phie

Das Fördern von Lebensqualität und das Wohl unserer Patienten ist uns eine Herzensangelegenheit.

Aus­ge­such­te Pro­sa für Betrof­fe­ne und Bedürf­ti­ge.
Wech­seln­de Gedich­te, Geschich­ten und Mär­chen

Es gibt einen Weg von Wer­ner Spren­ger

Es gibt einen Weg
den keiner geht,
wenn Du ihn nicht gehst.
Wege entstehen,
indem wir sie gehen.
Die vielen zugewachsenen,
wartenden Wege,
von ungelebten Leben
überwuchert.
Es gibt einen Weg,
den keiner geht,
wenn Du ihn nicht gehst:
es gibt deinen Weg,
ein Weg, der entsteht
wenn Du ihn gehst.

Das Mär­chen von der trau­ri­gen Trau­rig­keit von Inge Wut­he

Es war eine kleine Frau, die den staubigen Feldweg entlang kam. Sie war wohl schon recht alt, doch ihr Gang war leicht, und ihr Lächeln hatte den Glanz eines unbekümmerten Mädchens.
Bei einer zusammengekauerten Gestalt blieb sie stehen und sah hinunter. Sie konnte nicht viel erkennen. Das Wesen, das da im Staub auf dem Wege saß, schien fast körperlos zu sein. Sie erinnerte an eine graue Flanelldecke mit menschlichen Konturen.
Die kleine Frau bückte sich ein wenig und fragte: „Wer bist du?“
Zwei fast leblose Augen blickten müde auf .
„Ich? Ich bin die Traurigkeit“, flüsterte die Stimme leise, dass sie kaum zu hören war.
„Ach, die Traurigkeit!“ rief die kleine Frau erfreut aus, als würde sie eine alte Bekannte grüßen.
„Du kennst mich?“ fragte die Traurigkeit misstrauisch.
„Natürlich kenne ich dich! Immer wieder hast du mich ein Stückchen des Weges begleitet.“
„Ja, aber…..“ argwöhnte die Traurigkeit, „warum flüchtest du dann nicht vor mir? Hast du denn keine Angst?“
„Warum sollte ich vor dir davonlaufen, meine Liebe? Du weißt doch selbst nur zu gut, dass du jeden Flüchtling einholst. Aber, was ich dich fragen will: Warum siehst du so mutlos aus?“
„Ich… bin traurig“, antwortete die graue Gestalt mit brüchiger Stimme.
Die kleine alte Frau setzte sich zu ihr. „Traurig bist du also“, sagte sie und nickte verständnisvoll mit dem Kopf. „Erzähl mir doch, was dich so bedrückt.“
Die Traurigkeit seufzte tief. Sollte ihr diesmal wirklich jemand zuhören wollen? Wie oft hatte sie sich das schon gewünscht. „Ach weißt du“, begann sie zögernd und äußerst verwundert, „es ist so, dass mich einfach niemand mag. Es ist nun mal meine Bestimmung, unter die Menschen zu gehen und für eine gewisse Zeit bei ihnen zu verweilen. Aber wenn ich zu ihnen komme, schrecken sie zurück. Sie fürchten sich vor mir und meiden mich wie die Pest.“
Die Traurigkeit schluckte schwer. „Sie haben Sätze erfunden, mit denen sie mich bannen wollen.
Sie sagen: Papperlapapp dass Leben ist heiter. Und ihr falsches Lachen führt zu Magenkrämpfen und Atemnot.
Sie sagen: „Gelobt sei was hart macht. Und dann bekommen sie Herzschmerzen.
Sie sagen: Man muss sich nur zusammenreißen. Und spüren das Reißen in den Schultern und im Rücken.
Sie sagen: Nur Schwächlinge weinen. Und die aufgestauten Tränen sprengen fast die Köpfe.
Oder aber sie betäuben sich mit Alkohol und Drogen, damit sie sich nicht fühlen müssen.“

„Oh ja“, bestätigte die alte Frau, „solche Menschen sind mir auch schon oft begegnet.“

Die Traurigkeit sank noch ein wenig mehr in sich zusammen. „Und dabei will ich den Menschen doch nur helfen. Wenn ich ganz nah bei ihnen bin, können sie sich selbst begegnen. Ich helfe ihnen, ein Nest zu bauen, um ihre Wunden zu pflegen. Wer traurig ist hat eine besonders dünne Haut.
Manches Leid bricht wieder auf wie eine schlecht verheilte Wunde, und das tut sehr weh.
Aber nur wer die Traurigkeit zulässt und all die ungeweinten Tränen weint, kann seine Wunden wirklich heilen.
Doch die Menschen wollen gar nicht dass ich ihnen dabei helfe. Statt dessen schminken sie sich ein grelles Lachen über ihre Narben. Oder sie legen sich einen dicken Panzer aus Bitterkeit zu.“

Die Traurigkeit schwieg. Ihr weinen war erst schwach, dann stärker und schließlich ganz verzweifelt. Die kleine alte Frau nahm die zusammen-gesunkene Gestalt tröstend in ihre Arme. Wie weich und sanft sie sich anfühlte, dachte sie und streichelte zärtlich das zitternde Bündel.
„Weine nur, Traurigkeit“, flüsterte sie liebevoll, „ruh dich aus, damit du wieder Kraft sammeln kannst.
Du sollst von nun an nicht mehr alleine wandern. Ich werde dich begleiten, damit die Mutlosigkeit nicht noch mehr Macht über dich gewinnt.“

Die Traurigkeit hörte auf zu weinen. Sie richtete sich auf und betrachtete erstaunt ihre neue Gefährtin: „Aber wer bist du?“

„Ich?“ sagte die kleine , alte Frau schmunzelnd, und dann lächelte sie wieder wie ein kleines Mädchen. „Ich bin die Hoffnung.“

Kurz erzählt:

„Der Streit um die Wurst zwi­schen Hund und Fuchs“ – Eine Fabel aus Korea

Ein Hund und ein Fuchs erblickten gleichzeitig eine schöne große Wurst, die jemand verloren hatte, und nachdem sie eine Weile unentschieden darum gekämpft hatten, kamen sie überein, mit der Beute zum klugen Affen zu gehen. Dessen Schiedsspruch sollte gültig sein. Der Affe hörte die beiden Streitenden aufmerksam an. Dann fällte er mit gerunzelter Stirn das Urteil: „Die Sachlage ist klar. Jedem von euch gehört genau die halbe Wurst!“
Damit zerbrach der Affe die Wurst und legte die beiden Teile auf eine Waage. Das eine Stück war schwerer. Also biss er hier einen guten Happen ab. Nun wog er die Stücke von neuem. Da senkte sich die andere Schale; happ-schnapp, kürzte er auch diesen Teil. Wiederum prüfte er sie auf Gleichgewicht, und nun musste wieder die erste Hälfte ihr Opfer bringen. So mühte der Affe sich weiterhin, jedem sein Recht zu schaffen. Die Enden wurden immer kleiner und die Augen von Hund und Fuchs immer größer.
Schließlich, rutsch-futsch! War der Rest hier und dort verschlungen. Mit eingeklemmten Ruten schlichen Hund und Fuchs in verbissener Wut davon. In gehöriger Entfernung fielen sie übereinander her und zerzausten sich. Die Fabel lehrt: Hüte das Deine, lass jedem das Seine!